Kein Büro, kein Kindergarten, keine Schule, keine außerhäuslichen sozialen Kontakte: Eine Situation, die es bei uns so noch nicht gegeben hat. Wie gehen Kinder mit Social Distancing um und wie kann man sie unterstützen? Welche Auswirkungen kann die (körperliche und räumliche) Trennung von Freunden und Familienmitgliedern haben? Wie sollte man mit Kindern sprechen und ihnen die Situation erklären? Gibt es in dieser Krise neben den vielen Einschränkungen auch Chancen für Familien?
Umgang mit Social Distancing
Die Evolution hat es eigentlich vorgesehen, dass sich in Krisenzeiten Gruppen bilden, die für Schutz und Sicherheit sorgen. Es ist vor allem für Kinder daher zunächst schwer zu verstehen, dass zurzeit ausgerechnet Abstand und Isolation die beste Art von Fürsorge darstellen soll. Kleinere Kinder suchen bei Unsicherheit und Angst normalerweise den direkten Kontakt zu den Eltern. Das bei körperlicher Berührung (in den Arm nehmen, streicheln, kuscheln) ausgeschüttete Bindungshormon Oxytocin hat einen beruhigenden Effekt, was sich auch über Puls und Blutdruck messen lässt, stressmindernd wirkt und Resilienz und Immunsystem stärkt.
Ältere Kinder und Jugendliche müssen teilweise "berufscool" sein. Einige nehmen es wirklich mit Ruhe hin, bei einigen ist viel Fassade. Hier ist es förderlich, wenn Eltern auch ruhig reagieren, aber auch signalisieren, dass sie jederzeit für Gespräche und bei Problemen da sind.
Social Distancing ist momentan für viele eine gegebene Tatsache und muss nicht unbedingt ein Problem darstellen. Erst der Umgang damit ist ausschlaggebend, ob man es eher als ein Problem oder als eine Herausforderung ansieht und empfindet. Dabei ist auch die Frage des "Warum" entscheidend. Es ist für die Kinder wichtig zu verstehen, dass das momentane Isoliertsein keine Bestrafung darstellt, sondern es für alle gilt und auch einen positiven Effekt hat (Schutz vor Ansteckung, Schutz der Risikogruppen etc.). Das Gefühl und Wissen, dass andere von der eigenen Situation profitieren, kann helfen, Stresssituationen besser durchzuhalten und darin einen gewissen positiven Sinn zu sehen. Auch kann es zu einem Wir-Gefühl und einem Zusammenschweißen beitragen.
Ein liebevoller, verständnisvoller Umgang mit den Kindern kann hier eine große Unterstützung sein, ebenso gemeinsame Aktivitäten, ein strukturierter Tagesablauf, Sorgen und Nöte ernst nehmen ect. Es ist auch wichtig, die Gefühle der Kinder wie Frust und Langeweile zu akzeptieren, diese gemeinsam auszuhalten und gleichzeitig Trost zu spenden, dass es momentan eben nicht anders geht. Kinder, die sich geliebt und angenommen fühlen, werden diese vorübergehenden Zustände sehr gut überstehen.
Welche Auswirkungen kann die Isolation von Freunden und Familienmitgliedern haben?
Es ist wichtig sich klarzumachen, dass soziale Isolation nicht gleichbedeutend mit Einsamkeit ist und es auch eine zeitlich begrenzte Situation darstellt. Kinder leben im besten Fall in ihrer Kernfamilie und sind somit nicht allein, sondern verbringen Zeit mit den Eltern und Geschwistern verbringen. Das King’s College London (https://www.sciencenews.org/article/coronavirus-covid-19-social-distancing-psychological-fallout) hat in einer aktuellen Veröffentlichung wichtige Faktoren zur Prävention psycho-sozialer Auswirkungen von Quarantäne aufgezeigt. Dies sind vor allem die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche durch eine positive und stabile Familiensituation und eine gute Einstellung und Bewältigung verbessert werden. Auch die virtuelle Kommunikation mit Familienmitgliedern (zB Großeltern) und Freunden, die man zur Zeit nicht persönlich treffen kann, ist extrem wichtig für alle Beteiligten.
Es ist daher davon auszugehen, dass ein positives Umfeld dazu führt, dass die Kinder und Jugendlichen unbeschadet aus der Corona-Krise hervorgehen.
Wie sollte die Kommunikation mit den Kindern stattfinden?
Wie bei jeglicher Kommunikation ist auch hier das Alter der Kinder entscheidend. Kinder bis zu drei Jahren sollten am besten gar nichts davon mitbekommen. Bei Kindern bis zu zehn Jahren ist es wichtig, gelassen zu reagieren, da sich die Ruhe der Eltern direkt auf diese Kinder auswirkt. Mit älteren Kindern kann man reden wie mit Erwachsenen. Loben Sie Ihre Kinder außerdem ruhig ausgiebig dafür, was sie leisten und dass sie in dieser Situation mit zum Gelingen beitragen. Das motiviert und erfreut. Bedeutsam kann auch die richtige Dosierung an Informationen sein. Oft haben Kinder gar kein Interesse an einem längeren Gespräch, sondern stellen ihre Fragen im Alltag nebenbei. "Was ist ein Virus, wie wird man krank, warum kann ich die Oma nicht sehen…?" Antworten Sie ruhig und einfach, notfalls gibt es sehr gute und kindgerechte Youtube-Videos.
Versuchen Sie auch, Ihre Sprache positiv zu formulieren. Malen Sie die Situation nicht schwarz, sprechen Sie nicht dauernd über Sorgen und Zukunftsängste, sondern akzeptieren Sie die Situation so, wie sie ist. Sprechen Sie über lustige Situationen, ja sogar Galgenhumor ist erlaubt. Machen Sie das Beste draus und reden Sie auch darüber, was trotz vielen negativen Momenten in der Familie gut läuft und was Kinder und Eltern als gut empfinden.
Kindern, die häufig Fragen nach dem Ende der sozialen Einschränkungen stellen, können Gedankenspiele helfen, wie es nach der Krise weitergehen wird. Sprechen Sie mit ihren Kindern darüber, was sie gerne als erstes machen wollen, wenn sie wieder unbegrenzt hinaus können, was sie sich wünschen und was sie derzeit vermissen. Hier kann eine positive Zukunftsvision Zuversicht stiften.
Welche Chancen bietet Corona für Kinder und Familien?
Corona verändert zumindest vorübergehend unser aller Leben. Und wie jede Krise können sich auch hier Chancen für einen neuen familiären Zusammenhalt eröffnen. Durch Corona haben Familien momentan eines bekommen: Zeit zusammen. Selbst wenn es oft stressiger denn je zuvor scheint (durch Home Office, Home Schooling, Hausarbeit) und manchmal auch ist. Es gilt aber auch, dass es wie immer nicht um Quantität, sondern um Qualität der gemeinsamen Zeit geht. Es entsteht weiters die Chance, die Perspektive zu wechseln. Nun besteht die Möglichkeit, herausfordernde Situationen gemeinsam auszuhalten, die sonst die Lehrer und Lehrerinnen täglich meistern. Dadurch rücken Familien oft wieder näher zusammen und vielen Eltern wird erst jetzt so richtig bewusst, was Kinder eigentlich alles täglich leisten müssen und können. Es ist in diesen Tagen nicht wichtig, perfekt zu sein oder ständig darauf zu achten, dass alles nur wunderbar läuft. Es braucht Zeit, bis sich hilfreiche Strategien herauskristallisieren, Zeit zum Experimentieren, Zeit zum Ausprobieren. Als Fazit machen Sie mehr von dem, was funktioniert und sich als sinnvoll erweist. Um am Ende des Tages draufzukommen, dass es ein guter Tag war.
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